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In unserem Beitrag zur Cardanischen Formel bezeichneten wir Nicolo Tartaglia, gemäß der meisten Literaturquellen, als „Niccolo Fontana”, bis uns der Wiener Mathematikhistoriker Prof. Friedrich Katscher folgende Zeilen schrieb:

Ich frage mich, mit welchem Recht Sie dem italienischen Mathematiker Nicolo Tartaglia seinen Namen wegnehmen und ihn Niccolo Fontana nennen. Als Wiener Mathematikhistoriker habe ich alle Werke Tartaglias im Original (in der österreichischen Nationalbibliothek und in italienischen Bibliotheken) gesehen und durchgearbeitet. Ich besitze Faksimileausgaben von zweien seiner Werke und sogar ein Original von seiner Nova Scientia von 1550. Auch sein Vorname heißt Nicolo und nicht Niccolo. Nicht nur in allen Titeln seiner Werke steht Nicolo Tartaglia (vor 1550 Tartalea), sondern er beschreibt auch Gespräche, die er geführt hat, und veröffentlicht Korrespondenzen. In jedem Gespräch und in allen Briefwechseln wird er nur mit Nicolo Tartalea oder Tartaglia angesprochen und er selbst unterzeichnet mit Nicolo Tartalea oder Tartaglia. Ebenso wird er von Cardano genannt, dessen italienischer Vorname ebenfalls nicht Girolamo, sondern Hieronimo war.

Wie ist es zu dem leider unausrottbaren Mythos gekommen, dass Tartaglia eigentlich Fontana geheißen hat? Er wusste keinen Familiennamen seines Vaters (Vorname: Michele), der starb, als Nicolo 6 Jahre alt war, und nannte sich, nachdem ihm 1512 ein französischer Soldat mit einem Schwert den Gaumen und die Zähne zerspalten hatte, sodass er eine Zeitlang stotterte, Stotterer, auf italienisch Tartalea oder Tartaglia, und schrieb alle seine Werke unter diesem Namen. Auch in Dokumenten in italienischen Archiven steht nur Tartaglia. In seinem Testament, das erhalten geblieben ist und sich in einem Archiv in Venedig befindet, setzt Tartaglia seinen Bruder zum Universalerben ein und dieser hieß Zuampiero (Johann-Peter) Fontana. Der Bruder hat den Namen Fontana wahrscheinlich ebenso angenommen, wie Nicolo den Namen Tartaglia.

Der Notar, der das Testament aufnahm, hätte die Pflicht gehabt, den richtigen Namen des Erblassers zu schreiben. Und obwohl ihm aufgefallen sein muss, dass sein Bruder den Familiennamen Fontana hat, nennt er den Sterbenskranken doch Nicolo Tartaia oder Tartalea und nicht Fontana. Auch den Vater nennt er nicht Michele Fontana, sondern auf italienisch Michiel di Bressa und auf lateinisch Michaelis de Brixia. di und de heißt "von" oder "aus" Brescia, im venezianischen Dialekt Bressa und lateinisch Brixia, war der Geburtsort Tartaglias. (Denken Sie daran, dass auch der große Künstler Leonardo da Vinci keinen Familiennamen hatte; da Vinci heißt aus dem Orte Vinci bei Empoli, rund 30 km von Florenz entfernt.)

Ich ersuche Sie daher: Geben Sie Tartaglia seinen Namen zurück!

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Friedrich Katscher

zur Cardanischen Formel