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In einem Wartezimmer gibt es ebenso viele Stühle wie Menschen, wenn niemand stehen muss und kein Stuhl frei ist. Ohne zu zählen, kann man so die Mächtigkeit (Größe, Kardinalität) von Mengen vergleichen. Zwei Mengen heißen gleichmächtig, wenn jedem Element der einen Menge genau ein Element der anderen Menge zugeordnet werden kann. Im endlichen Fall stimmt das mit der Anschauung überein, bei unendlichen Mengen sieht das anders aus:

Zum Beispiel ist die Menge IN aller natürlichen Zahlen gleichmächtig zur Menge der geraden natürlichen Zahlen - man ordnet jedem n einfach die Zahl 2n zu. Auch die Menge der rationalen Zahlen ist gleichmächtig zu IN, das lässt sich mit Cantors Diagonalverfahren beweisen. Mengen, die gleichmächtig zu IN sind, nennt man abzählbar unendlich. Dagegen ist die Menge IR der reellen Zahlen nicht abzählbar (überabzählbar). Nun stellt sich die Frage, ob eine Zwischenstufe der Unendlichkeit existiert.

Kontinuumshypothese

Frage
Was ist die Kontinuumshypothese CH ?

Antwort

Die Kontinuumshypothese (kurz CH) besagt, dass zwischen der Mächtigkeit der Menge IN der natürlichen Zahlen und der Mächtigkeit der Menge IR aller reellen Zahlen keine andere Stufe der Unendlichkeit existiert. Georg Cantor (1845-1918), der Begründer der Mengenlehre, hat diese Hypothese im Jahr 1878 aufgestellt.

Kurt Gödel zeigte 1938, dass man CH mit dem Zermelo-Fraenkel Axiomensystem (ZF) nicht widerlegen kann, und Paul Cohen zeigte 1963, dass sich CH mit ZF nicht beweisen lässt. CH ist also unabhängig von den ZF-Axiomen der Mengenlehre.


Anmerkungen

Die Kontinuumshypothese besagt nicht, dass nur zwei Stufen der Unendlichkeit existieren. Es gibt sogar beliebig viele Abstufungen, weil die Menge aller Teilmengen (Potenzmenge) einer Menge M stets mächtiger als M ist. Das zeigt sich für die Menge der natürlichen Zahlen wie folgt:

Angenommen, man könnte alle Teilmengen der natürlichen Zahlen mit T1, T2, T3 ... paarweise verschieden durchnummerieren, dann hätte auch die (nichtleere) Teilmenge T:= {n∈IN| n∉Tn} eine Nummer k. Damit läge k genau dann in T, wenn k kein Element von T wäre - Widerspruch!
T ≠ ∅ lässt sich übrigens wie folgt zeigen: Weil die Mengen {1}, {2}, {1,2} verschieden nummeriert werden, muss eine dieser Mengen eine Nummer n > 2 haben, das heißt: n ∉ Tn.

 Georg Cantor (Halle an der Saale), der Begründer der Mengenlehre.

Georg Cantor
1845 - 1918

Die natürlichen Zahlen reichen also nicht, um alle Teilmengen von IN verschieden zu nummerieren. Die Potenzmenge P(IN) hat daher eine größere Mächtigkeit als die Menge der natürlichen Zahlen. Ähnlich folgt, dass P(P(IN)) mächtiger als P(IN) ist. So kann man beliebig fortfahren - Cantor fragte sich vor allem, ob zwischen der Mächtigkeit von IN und der von P(IN) eine Zwischenstufe existiert. (Dabei ist es egal, ob es sich um P(IN) oder IR handelt, weil die dyadische Darstellung der reellen Zahlen zeigt, dass IR und P(IN) gleichmächtig sind.)

Wenn man die unendlich vielen Stufen der Unendlichkeit aufsteigend mit den Kardinalzahlen ℵ0, ℵ1, ℵ2, ... bezeichnet, dann steht ℵ0 (Aleph Null) für die Kardinalität von IN und die Kontinuumshypothese lautet: ℵ1 ist die Kardinalität von IR.
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